Volksschule Gilmstraße
Gilmstraße 4, Innsbruck
Fünf Streifzüge in die Welt der Zeichen und Schriften des öffentlichen Raums.
Am Tiroler Heimatwerk fällt vor allem der Schriftzug in der „Schaftstiefelgrotesk“ ins Auge. Die auffallende Typografie ermöglicht den Blick auf eine besonders kritische Episode von Macht und Schrift.
Die Nationalsozialisten machten die Fraktur, also die gebrochene Schrift, in den Anfängen des Dritten Reichs zu ihrer Amtsschrift. Als sie jedoch bemerkten, dass sie in vielen Besatzungsgebieten nicht gelesen werden konnte, suchte man nach einem Grund sie abzuschaffen. So wurde die Fraktur kurzerhand – unter völliger Verdrehung historischer Tatsachen – als „Judenletter“ punziert und im sogenannten „Bormann-Erlass“ von 1941 verboten. – Soweit ein recht wahrscheinlicher Erklärungsversuch des einzigartigen Verbots einer Schrift durch einen Machthaber.
Die Fraktur, also die gebrochene Schrift, hat seit Beginn ihres Bestehens viele, oft widersprüchliche Debatten ausgelöst. Daran beteiligt waren unter anderen Bismarck, Goethe, Schiller und die Nationalsozialisten. Wie kam es dazu? Schon zu Kaiser Maximilians Zeiten wurde die Fraktur als „deutsche Schrift“ gleichzeitig mit ihrem Gegenpol, der lateinischen Schrift, auch humanistische Antiqua genannt, eingesetzt. Große Werke deutscher Dichtkunst wurden im deutschsprachigen Kulturraum in Fraktur gesetzt, für wissenschaftliche Publikationen wurden Antiqua-Schriften akzeptiert. Maximilian I. lässt für seinen berühmten Heldenepos „Theuerdank“ extra eine Frakturschrift entwerfen. In seinem berühmten Portrait, gemalt von Albrecht Dürer, kommt die Antiqua zum Einsatz, da der Portraitierte als deutscher Kaiser römischer Nation dargestellt wird. Die Antiqua ist hier offensichtlich staatstragender, weil sie über den deutschen Bedeutungskontext hinaus wirkt. Als Goethe für seinen Werther die Antiqua bevorzugte, erntete er lautstarke Kritik.
Vollends diskreditiert wurden Frakturschriften in der Zeit der Nationalsozialisten. Zunächst wurden sie als stilbildendes Element im „Corporate Design“ der NS (Andreas Koop: »NS-CD«) eingesetzt und sogar Versuchen einer Modernisierung unterzogen. Dann wurde Fraktur jedoch zum Symbol als „Besatzerschrift“. Am Höhepunkt der Machtentfaltung der Nationalsozialisten wurde aber deutlich, dass diese Schrift im übrigen Europa nicht mehr gelesen werden konnte. Deswegen wurde sie im sogenannten „Bormann-Erlass“ von 1941 unter völliger Verdrehung historischer Tatsachen als „Judenletter“ denunziert und ihr Gebrauch fortan untersagt. Der Nimbus der „Nazi-Schriften“ haftet seither aber an vielen gebrochenen Schriften. Wie sehr die Fraktur dennoch präsent ist, zeigt sich in zahllosen Zeitungsköpfen, wie etwa dem der New York Times oder der Le Monde. Ebenso lebt sie in Gasthausschildern, Bierlabels, Heavy Metal-Plattencovers, Tattoos und Heimatfilmen weiter.
Allmählich befreien sich die gebrochenen Schriften von ihrem historischen Ballast und einige Grafikdesigner*innen wenden sich dieser Schrifttradition wieder zu. So werden die Schönheit und der formale Reichtum dieser Schriften wieder erkennbar. Judith Schalansky etwa hat das Buch Fraktur Mon Amour verfasst. Schon der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sagte: „Schrift ist ihr Gebrauch“.
Gilmstraße 4, Innsbruck
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